Metaspace — Arno Beck | Kilian Kretschmer | Florian Kuhlmann

Metaspace


Die Aus­stel­lung „Metaspace“ zeigt den Düs­sel­dor­fer Maler Arno Beck und den Karls­ru­her Medi­en­künst­ler Kili­an Kret­schmer in einer Dop­pel­aus­stel­lung. Der Titel „Metaspace“ ver­weist hier­bei auf eine Aus­ein­an­der­set­zung mit räum­li­chen Dar­stel­lungs­kon­zep­ten, die bei­de Künst­ler verbindet.

Kili­an Kret­schmer kon­stru­iert in sei­nen Video-Instal­la­tio­nen Räu­me und Arte­fak­te, in denen Rea­li­tät und Vir­tua­li­tät naht­los inein­an­der­grei­fen und für den Betrach­ter kaum noch zu unter­schei­den sind. Mit zum Teil ver­al­tet ana­lo­ger Tech­no­lo­gie wer­den drei-dimen­sio­na­le Raum­ge­bil­de erzeugt, die kein rea­les Äqui­va­lent mehr haben. Der Künst­ler greift in sei­nen Arbei­ten Fra­gen nach dem Wirk­lich­keits­be­zug der Gegen­stän­de und ihrem Ver­hält­nis zu den Gesetz­mä­ßig­kei­ten der Wahr­neh­mung auf, die in der Phi­lo­so­phie aus­ge­hend von Pla­tons Höh­len­gleich­nis über Kants Tran­szen­den­tal­phi­lo­so­phie bis hin zum Kon­stuk­ti­vis­mus eines der zen­tra­len, wenn auch unge­lö­sten Pro­ble­me dar­stel­len. Die­se Pro­ble­ma­tik, an der sich Gene­ra­tio­nen von Phi­lo­so­phen und auch Künst­ler abge­ar­bei­tet haben, steht jedoch in der aktu­el­len Situa­ti­on in der media­le Wirk­lich­keits­pro­duk­tio­nen auf den Weg gebracht wer­den, die die Bild­flä­che ver­las­sen und den drei­di­men­sio­na­len Raum erobern, unter einem neu­en Licht. Vor dem Hin­ter­grund der Tat­sa­che, dass durch die Opti­mie­rung von Repro­duk­ti­ons­pro­zes­sen Abbild und Vor­la­ge in naher Zukunft unter Umstän­den nicht mehr unter­scheid­bar sind, war­tet die­se Pro­ble­ma­tik erneut auf Bearbeitung.

Arno Beck setzt sich in sei­nen Arbei­ten mit der Ästhe­tik post­di­gi­ta­ler Raum­kon­struk­tio­nen aus­ein­an­der. In sei­ner Moti­vik bezieht er sich auf Gra­fi­ken aus der Anfangs­zeit des Com­pu­ter­zeit­al­ters. Mit klas­si­schen Repro­duk­ti­ons­tech­ni­ken wie Holz- oder Sieb­druck wid­met er sich einer Iko­no­gra­phie und Bild­spra­che, die man ursprüng­lich nur als digi­ta­le Ober­flä­che des Bild­schirms kennt. In sei­nen Arbei­ten ent­ste­hen Bild­räu­me, die ihr Span­nungs­ver­hält­nis dar­aus bezie­hen, dass sie mit klas­sisch male­ri­schen und druck­tech­ni­schen Mit­teln erzeugt wer­den, aber stets auf digi­ta­le Raum­kon­struk­te verweisen.

Flo­ri­an Kuhl­mann arbei­tet seit 2007 als frei­er Künst­ler, Autor, Kura­tor, Pro­gram­mie­rer und Pro­jekt­ent­wick­ler in Düs­sel­dorf. Von 2002 bis 2007 stu­dier­te er Medi­en­kunst bei Dr. Hans Ulrich Reck, Frans Vogel­a­ar, Peter Zim­mer­mann und Die­ter Jung an der KHM in Köln.
Der Schwer­punkt sei­ner künst­le­ri­schen und beruf­li­chen Tätig­keit ist ‚die Digi­ta­li­tät’ und ‚das Netz’ sowie die dadurch neu ent­ste­hen­den Kon­tex­te. Seit mehr als 15 Jah­ren beschäf­tigt er sich auf unter­schied­li­che Wei­sen und in ver­schie­de­nen Rol­len mit den Phä­no­me­nen einer zuneh­mend durch Algo­rith­men und Soft­ware gepräg­ten Wirk­lich­keit. Neben sei­ner Arbeit als Künst­ler und Kura­tor, betreibt er seit 2010 den Blog perisphere.de und seit Ende des Jah­res 2014 den Pro­jekt­raum #digital3mpire in Düs­sel­dorf, Fried­rich­stadt. Wei­te Tei­le sei­ner künst­le­ri­schen Pro­duk­ti­on sind frei im Netz zugäng­lich, vie­les steht unter Crea­ti­ve Com­mons Lizen­zen zum frei­en Down­load bereit. Die sich dar­aus erge­ben­den Fra­gen rund um Zugang, Ver­füg­bar­keit, Original/Kopie/Unikat, aber auch um den Wert und die zuneh­men­de Ent­wer­tung künst­le­ri­scher Pro­duk­tio­nen durch die Digi­ta­li­sie­rung sind zen­tra­le Leit­mo­ti­ve sei­nes Tuns.

Arno Beck / Syn­tax error
Arno Beck ver­bin­det in sei­nen neu­en Arbei­ten Dar­stel­lungs­kon­zep­te ana­lo­ger Repro­duk­ti­ons­tech­ni­ken mit der Ästhe­tik digi­ta­ler Bil­der­zeu­gungs­ver­fah­ren. Zunächst wird die Vor­la­ge, die am Rech­ner erstellt wird, in eine stark ver­ein­fach­te Raster­gra­fik umge­wan­delt, wobei die 32/er Farb­pa­let­te des Game­boy Color als Ori­en­tie­rungs­sy­stem dient. Auf den Digi­ta­li­sie­rungs­pro­zess, des­sen Sinn und Zweck es ist, das Bild für die druck­tech­ni­schen Gege­ben­hei­ten der Ver­viel­fäl­ti­gungs­ma­schi­nen bzw. die Vor­aus­set­zun­gen der digi­ta­len Über­tra­gung vor­zu­be­rei­ten, folgt jedoch wie­der eine ana­lo­ge Arbeits­pha­se. Die ein­zel­nen Bild­qua­dra­te wer­den von Hand in tau­sen­de gleich gro­ße Holz­stücke zurecht gesägt, die mit einer Druck­wal­ze ein­ge­färbt und zu einem Pixel­mo­sa­ik zusam­men­ge­fügt wer­den. Anschlie­ßend erfolgt ein ein­zel­ner Abdruck auf Japan­pa­pier, wobei auf eine Ver­viel­fäl­ti­gung des Motivs bewusst ver­zich­tet wird. Jeder Druck ist ein Uni­kat. Der Künst­ler greift in den Ablauf eines auf Auto­ma­ti­sie­rung hin aus­ge­rich­te­ten Repro­duk­ti­ons­pro­zes­ses ein und stellt die Spiel­re­geln auf den Kopf. Sobald das Bild für eine maschi­nel­le Wei­ter­ver­ar­bei­tung vor­be­rei­tet ist, erfolgt eine über­ra­schen­de Wen­dung. Es setzt eine Pha­se der mühe­vol­len Hand­ar­beit ein und das Ergeb­nis eines auf seri­el­le Ver­viel­fäl­ti­gung ange­leg­ten Arbeits­pro­zes­ses wird zum Ori­gi­nal. Hand­ar­beit und Digi­ta­li­sie­rung durch­drin­gen sich auf eine unvor­her­ge­se­he­ne Art und Wei­se: die Hand scheint sich gera­de an dem Punkt ein­mi­schen zu wol­len, wo die Maschi­ne ihren Kom­pe­tenz­be­reich für sich bean­sprucht. Die so ent­stan­de­nen Mosa­ik­drucke kon­fron­tie­ren eine Raster­äs­the­tik der digi­ta­len Per­fek­ti­on mit den unge­len­ken Ver­schie­bun­gen und Über­la­ge­run­gen einer ana­lo­gen Umset­zung. Es ent­steht ein Span­nungs­ge­fü­ge zwi­schen geplan­ter Ord­nung und will­kom­me­nen Aus­brü­chen aus einem sta­ti­schen System, die einen leben­di­gen Farb­raum erzeu­gen. Der Zufall ergänzt und erwei­tert das System. Man fühlt sich hier­bei sogleich an die Unre­gel­mä­ßig­kei­ten und Farb­ab­wei­chun­gen in den Sieb­drucken War­hols erin­nert. Die Hand hin­ter­lässt auch in der Imi­ta­ti­on eines maschi­nel­len Pro­zes­ses ihre eige­nen Spu­ren. Wal­ter Ben­ja­min beklag­te bereits in den 30er Jah­ren des 20. Jahr­hun­derts in sei­nem viel zitier­ten Auf­satz „Das Kunst­werk im Zeit­al­ter der Repro­duk­ti­on“ den Ver­fall der Aura des Kunst­wer­kes vor dem Hin­ter­grund sei­ner mas­sen­haf­ten Ver­brei­tung durch Ver­viel­fäl­ti­gun­gen. Ben­ja­min defi­niert die das Kunst­werk umge­ben­de Aura als Zeug­nis einer Ein­ma­lig­keit und einer in sich getra­ge­nen Histo­ri­zi­tät, die durch jeg­li­che Form der Repro­duk­ti­on unter­gra­ben wird. Arno Becks Ver­fah­ren könn­te man als den humor­vol­len Ver­such einer „Re“-auratisierung des Kunst­werks in Zei­ten der Bild­in­fla­ti­on bezeich­nen. Der qua­dra­ti­sche Farb­pi­xel als Sym­bol der iko­no­gra­fi­schen Indu­stria­li­sie­rung wird müh­sam von Hand zurecht­ge­schnit­ten und mit Far­be ver­se­hen, um in einem auf­wen­di­gen Holz­druck­ver­fah­ren ein Uni­kat zu erzeu­gen, was dem Grund­prin­zip der Druck­tech­nik völ­lig wider­spricht. Zusam­men mit den Holz­drucken ent­steht eine Serie an Schreib­ma­schi­nen­gra­fi­ken in einer ähn­li­chen Moti­vik. Nach­dem ein Schreib­ma­schi­nen­blatt durch ein Raster aus „+“-Zei­chen vor­struk­tu­riert wur­de, beginnt die Umset­zung des Motivs durch die Ver­wen­dung von sechs ver­schie­de­nen Buch­sta­ben und Zei­chen, die einen jeweils eige­nen Hel­lig­keits­wert erzeu­gen, der jedoch, ähn­lich wie beim Kla­vier, durch die Här­te des Anschlags vari­iert wer­den kann. Die Buch­sta­ben­par­ti­tu­ren wer­den als Edi­ti­on von jeweils zehn Exem­pla­ren umge­setzt, wobei jedes ein­zel­ne Blatt von Hand neu ein­ge­tippt und somit auch zu einem Uni­kat wird. Wie bei den Holz­drucken ver­sucht der Künst­ler sich bei der Umset­zung des Motivs bewusst Stei­ne in den Weg zu legen, indem er ein aus­ran­gier­tes Relikt der Text­ge­stal­tung zur Dar­stel­lung einer Gra­fik ver­wen­det. Doch auch hier ent­steht ein Ergeb­nis, mit einer völ­lig eige­nen Ästhe­tik in einem Span­nungs­feld zwi­schen sub­jek­ti­vem Aus­druck und vor­struk­tu­rier­ter Ord­nung.
Arno Beck bestrei­tet in bei­den Seri­en einen außer­ge­wöhn­li­chen Weg. In einer Zeit der infla­tio­nä­ren Erzeu­gung und Ver­brei­tung von digi­ta­len Bil­dern stellt er das Prin­zip der Repro­duk­ti­on auf den Kopf und Infrage.

Arno Beck | Pain­ting in the digi­tal age
Arno Beck’s works have evol­ved from the con­tem­pla­ti­on on con­tem­po­ra­ry digi­tal cul­tu­re whilst kee­ping the tra­di­ti­on of pain­ting in mind. His approach of expe­ri­men­tal print­ma­king and con­cep­tu­al pain­ting is an inter­play bet­ween the vir­tu­al com­pu­ter world and tra­di­tio­nal, artis­tic tech­ni­ques. The motifs are based on his inte­rest for ear­ly low reso­lu­ti­on com­pu­ter gra­phics, games and inter­faces. Focu­sing on the ana­log pro­duc­tion of com­pu­ter gene­ra­ted imagery, he trans­forms tho­se digi­tal images into the pic­to­ri­al space expres­sing the urge of cap­tu­ring digi­tal aes­the­tics with pain­ter­ly means.
Based on the con­fron­ta­ti­on with ear­ly gra­phic and ima­ging pro­grams Beck has deve­lo­ped a for­mal lan­guage which he uses to struc­tu­re his pic­to­ri­al space. Pixel Clu­sters arran­ged in par­ti­cu­lar ways, imi­ta­te duct and mate­ria­li­ty of dif­fe­rent pain­ting methods, like pen dra­wings or blur­ry spray paint. His voca­bu­la­ry of pain­ting con­sists of geo­me­tric shapes, pixel­a­ted lines and bina­ry, yet pain­ter­ly ges­tu­res which fea­ture a ran­ge of visu­al tex­tures. The mate­ria­lizati­on of digi­tal imagery and the trans­for­ma­ti­on of tho­se screen based impres­si­ons into phy­si­cal hap­tic exi­stence, is one of the cen­tral aspects in Beck’s Oeu­vre — Sur­face struc­tu­re plays a key role in his works. Trans­fer­red from the com­pu­ter screen the color its­elf beco­mes a phy­si­cal­ly expe­ri­en­ceable mat­ter which mate­ria­li­zes on the can­vas and in some pain­tings casts a drop shadow, crea­ting a lay­er that pre­tends to be floa­ting over the pic­to­ri­al sur­face. Beck inte­gra­tes this thin­king in lay­ers, as cul­ti­va­ted by working with gra­phic pro­grams, into the act of pain­ting. Gra­phi­cal con­trol ele­ments like over­lap­ping win­dows and mou­se cur­sors, shift the level of depic­tion to a metale­vel. The appear­ance of tho­se ele­ments takes the view­er a step back from the pain­ting its­elf, loo­king at a users inter­face instead — A pic­tu­re within a pic­tu­re. To empha­si­ze this rela­ti­on from pain­ting to image pro­ce­s­sing, Beck often uses the grey / white checked pat­tern as a back­ground in his pain­tings. In ima­ging pro­grams this sur­face is the digi­tal equi­va­lent to a white can­vas in the phy­si­cal space, ser­ving as a start­ing point for new works.
Arno Beck’s approach of print­ma­king has evol­ved from a clas­si­cal pain­ting posi­ti­on, which has deve­lo­ped into a new, con­cep­tu­al per­cep­ti­on of post-digi­tal pain­ting. He uti­li­zes wood­prin­ting as a means of pro­du­cing pain­tings in a wider sen­se. The pro­ce­du­re of prin­ting is not uti­li­zed for repro­duc­tion, as he does not print in edi­ti­ons. The­r­e­fo­re, all works are ori­gi­nals in the sen­se of a clas­sic pain­ting.  For print­ma­king he uses 32 dif­fe­rent colors, which stem from the Game­boy Color game con­so­le released in 1998.  Due to the leng­thy manu­fac­tu­ring pro­cess, the dece­le­ra­ti­on its­elf beco­mes a main aspect in times of con­stant infor­ma­ti­on over­load. His prints com­bi­ne the spe­ci­fic aes­the­tic of wood­print with digi­tal sub­ject­mat­ter — par­ti­cu­lar­ly the orga­nic mate­ria­li­ty and hap­tic of wood in con­trast to the clean per­fec­tion of the digi­tal. The ana­log pro­duc­tion pro­cess huma­ni­zes tech­no­lo­gy and the­r­e­fo­re enli­vens the screen­world — the error is part of the beau­ty.
Ano­ther artis­tic approach, fol­lo­wing the same thought pro­cess and moti­va­ti­on, is a series of type­wri­ter dra­wings. This body of work is roo­ted in the same search for an ana­log trans­la­ti­on of digi­tal imagery. In this series, the dra­wings are achie­ved by typ­ing on an old-fashio­ned manu­al type­wri­ter. Beck types the­se moti­ves line by line on Japa­ne­se paper, using dif­fe­rent let­ters and sym­bols, that crea­te a varie­ty of dif­fe­rent bright­ness values. On clo­ser inspec­tion, tho­se works remind of bina­ry codes, empha­si­zing the con­nec­tion to the imagery from the digi­tal world. He depicts land­scapes on an almost pho­to­gra­phic level and inclu­des ele­ments from low reso­lu­ti­on com­pu­ter games. By com­bi­ning tho­se lay­ers he mana­ges to fuse two com­ple­te­ly dif­fe­rent dis­play modes into a seam­less unity.

Flo­ri­an Kuhl­mann
Flo­ri­an Kuhl­mann is not mere­ly a digi­tal artist. The chal­lenges, the ambi­gui­ty, the chan­ges and the oppor­tu­ni­ties posed by digi­tal tech­no­lo­gy are cen­tral to all of his count­less pro­jects, uniting his inte­rests under the key of digi­ta­lism. Working as an artist, cura­tor, orga­ni­s­er of festi­vals and con­fe­ren­ces, blog­ger or rese­ar­cher, but also as a web desi­gner or coder, 1975-born Flo­ri­an curr­ent­ly runs the pro­ject space Digital3mpire and the art blog perisphere.de, both of which empha­sise digi­tal art in the area in and around Düs­sel­dorf, whe­re he lives. Having exhi­bi­ted and cura­ted inter­na­tio­nal­ly, his cur­rent pro­ject “this is not” returns to the mate­ri­al of the can­vas and explo­res how the rela­ti­on of text and emo­ti­on have alte­red in a time of digi­tal every day con­ver­sa­ti­ons. His sharp reseach in the­se new social phe­no­me­na, that we are all a part of, are worth taking a clo­ser look. In our inter­view he explains why digi­ta­lism is such an urgent mat­ter to him and how art is a part of this discussion.