Philipp Hamann | Anything can happen

Anything can happen


Die Ausstellung „Anything can happen“ setzt sich aus Bild-, Text- vor allem aber auch aus Erfahrungsmaterial zusammen, das in einem zweimonatigen Aufenthalt in dem Ort Nida in Litauen im Rahmen eines Stipendiums des Goethe-Instituts entstanden ist. Der Geschichte des kleinen Ortes unmittelbar an der Grenze zu Russland ist geprägt von Besetzung, Vertreibung sowie ständiger Zerstörung – jedoch auch durch stetigen Wiederaufbau und die unbeirrbare Neubesiedelung durch unterschiedliche Volksgruppen. Es scheint fast wie ein literarisches Motiv, dass der Ort zu allem Unglück bereits mehrfach von einer Wanderdüne begraben wurde und wieder aufgebaut werden musste. Das einzig Beständige dieses Ortes scheint die Tatsache der nicht vorhandenen Verwurzelung in einer identitätsstiftenden Vergangenheit – ein Ort ohne Heimat. Berühmtheit erlangte er vor allem durch die Tatsache, dass Thomas Mann sich hier ansiedelte und die Sommer der Jahre vor seiner Immigration in die USA dort verbrachte.
Die Ausgangslage ist prädestiniert für Philipp Hamanns künstlerische Herangehensweise der Spurensuche und bildnerischen Rekonstruktion von Vergangenem. Er recherchiert, sammelt, ordnet und spekuliert, wobei sich die vorgefundenen alltäglichen Geschichten mit persönlichen Erinnerungsspuren und fiktiven Elementen verflechten. Hamann taucht in das kollektive Gedächtnis des Ortes ein, auf der Suche nach Geschichten, Mythen und Bildern. In der Aufarbeitung gibt es keine Hierarchie. Alles ist gleichwertig und steht mit Allem in Verbindung. Historisches steht neben Alltäglichem, Privates neben Offiziellem. Hamann teilt seine Collage in einzelne Motivfelder ein, deren formgebende Umrisse aus einer Abbildung der bereits erwähnten Wanderdüne geschnitten sind, die das Dorf und seine Geschichte bereits mehrfach begraben hatte. Das inhaltliche Motiv der Auslöschung wird formalästhetisch zur formgebenden Komponente. Ein Themenkomplex fasst beispielsweise Erinnerungen und Bilder an einen Straßenkünstler zusammen, dessen Eloquenz und Unabhängigkeit zunächst beeindruckte, der im Verlauf des Aufenthaltes jedoch zur anhänglichen Belastung wurde. Ein einsamer Junge der Tag für Tag vor sich hin dösend mit der Aufgabe betraut wurde einen Parkplatz zu bewachen, wird in der Collage in Zusammenhang mit der Romanfigur Rip van Winkle gebracht, der sein Leben verschläft und als er endlich aufwacht erkennen muss, dass alle seine Bekannten bereits verstorben sind. Ziel dieser Aufarbeitung ist es Vergangenes in eine greifbare Form zu bringen. Hamanns bedient sich hierzu gleichermaßen erzählerischer, poetischer, bildnerischer, filmischer und dokumentarischer Mittel. Der Drang zum Gesamtkunstwerk des in Bayreuth geborenen Künstlers ist unverkennbar. Die opulente Fülle und Vielschichtigkeit, die einem dargeboten wird, ist jedoch nicht auf Überwältigung hin komponiert, sondern fordert vielmehr auf sich in ihr zu verlieren.

Falko Bürschinger

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