Peter Müller | Neue Arbeiten

Peter Müller | Neue Arbeiten

Peter Müller


Den konzeptuellen Ausgangspunkt von Peter Müllers Arbeiten bildet die Auseinandersetzung mit einer inhaltlichen Dimension. Der Künstler verwendet hierzu Bildmaterial aus den Massenmedien als Vorlage in dem sich ausdrucksstarke Szenen, häufig geprägt von Gewalt und Aufruhr, widerspiegeln. An dieser thematischen Reibungsfläche entzünden sich erste Ideen für die formalästhetische Gestaltung. Hierbei werden Bewegungsmuster, Dynamik sowie Formensprache der Sujets aufgegriffen, um dann aus ihrer Gegenständlichkeit befreit zu werden. Im Verlauf des Produktionsprozesses findet eine vollständige Loslösung von der abbildhaften Dimension statt, wobei Intensität und Ausdrucksqualität der dargestellten Situation in eine adäquate Formensprache übersetzt werden. Nachdem ein Abstraktionsprozess durchlaufen wurde, der keinerlei Rückschlüsse mehr auf eine Vorlage zulässt,bleibt die Plastik als ungegenständliches Äquivalent einer Ausgangssituation zurück, losgelöst vom Kontext eines singulären Ereignisses.
Der Künstler verwendet häufig Materialien, die bereits industrielle Bearbeitungsprozesse durchlaufen haben: mit Vorliebe Wellpappe, Fußleisten sowie Dachlatten und ähnlich funktional ausgerichtete Stoffe, an denen deutlich wird, dass das Charakteristische des Ausgangsstoffes in eine verwertbare Form gepresst oder geschnitten wurde. Peter Müller zieht diese Materialien aus dem Gebrauchskontext ihrer Funktionalität heraus und bearbeitet sie weiter. In seiner Abhandlung „Über den Ursprung des Kunstwerks“ entfaltet Heidegger eine begriffliche Reihe, in der er das Kunstwerk anhand einer Gegenüberstellung zum Gebrauchgegenstand definiert. Das „Zeug“, wie er den designten Gegenstand nennt, zeichne sich dadurch aus, dass es im Gebrauch völlig aufgehe und verschwinde. Je besser der Gegenstand an seine funktionale Ausrichtung angepasst sei, umso unsichtbarer werde er in seiner Handhabung und Materialität. Das Kunstwerk definiere sich im Gegensatz dazu gerade über die Sichtbarmachung des Materiellen. Farbe, Holz oder Beton treten im Kunstwerk lediglich als Träger einer ästhetischen Ausdrucksqualität, frei von jeder Funktion auf. Sie werden nicht ver- oder gebraucht, sondern erzeugen überhaupt erst Sichtbarkeit. Peter Müller gelingt es in seinen Arbeiten Vorgefertigtes aus dem Produktions- und Verwertungskreislauf aufzugreifen und in den Bereich der Sichtbarkeit zurückzuziehen.

Falko Bürschinger


All In/IV | Groupshow

All In/IV


Arno Beck | Mikheil Chikhladze | Philipp Hamann | Kilian Kretschmer | Bas Louter | Peter Müller | Sebastian Weggler


Philipp Hamann | Anything can happen

Philipp Hamann | Anything can happen

Anything can happen


Die Ausstellung „Anything can happen“ setzt sich aus Bild-, Text- vor allem aber auch aus Erfahrungsmaterial zusammen, das in einem zweimonatigen Aufenthalt in dem Ort Nida in Litauen im Rahmen eines Stipendiums des Goethe-Instituts entstanden ist. Der Geschichte des kleinen Ortes unmittelbar an der Grenze zu Russland ist geprägt von Besetzung, Vertreibung sowie ständiger Zerstörung – jedoch auch durch stetigen Wiederaufbau und die unbeirrbare Neubesiedelung durch unterschiedliche Volksgruppen. Es scheint fast wie ein literarisches Motiv, dass der Ort zu allem Unglück bereits mehrfach von einer Wanderdüne begraben wurde und wieder aufgebaut werden musste. Das einzig Beständige dieses Ortes scheint die Tatsache der nicht vorhandenen Verwurzelung in einer identitätsstiftenden Vergangenheit – ein Ort ohne Heimat. Berühmtheit erlangte er vor allem durch die Tatsache, dass Thomas Mann sich hier ansiedelte und die Sommer der Jahre vor seiner Immigration in die USA dort verbrachte.
Die Ausgangslage ist prädestiniert für Philipp Hamanns künstlerische Herangehensweise der Spurensuche und bildnerischen Rekonstruktion von Vergangenem. Er recherchiert, sammelt, ordnet und spekuliert, wobei sich die vorgefundenen alltäglichen Geschichten mit persönlichen Erinnerungsspuren und fiktiven Elementen verflechten. Hamann taucht in das kollektive Gedächtnis des Ortes ein, auf der Suche nach Geschichten, Mythen und Bildern. In der Aufarbeitung gibt es keine Hierarchie. Alles ist gleichwertig und steht mit Allem in Verbindung. Historisches steht neben Alltäglichem, Privates neben Offiziellem. Hamann teilt seine Collage in einzelne Motivfelder ein, deren formgebende Umrisse aus einer Abbildung der bereits erwähnten Wanderdüne geschnitten sind, die das Dorf und seine Geschichte bereits mehrfach begraben hatte. Das inhaltliche Motiv der Auslöschung wird formalästhetisch zur formgebenden Komponente. Ein Themenkomplex fasst beispielsweise Erinnerungen und Bilder an einen Straßenkünstler zusammen, dessen Eloquenz und Unabhängigkeit zunächst beeindruckte, der im Verlauf des Aufenthaltes jedoch zur anhänglichen Belastung wurde. Ein einsamer Junge der Tag für Tag vor sich hin dösend mit der Aufgabe betraut wurde einen Parkplatz zu bewachen, wird in der Collage in Zusammenhang mit der Romanfigur Rip van Winkle gebracht, der sein Leben verschläft und als er endlich aufwacht erkennen muss, dass alle seine Bekannten bereits verstorben sind. Ziel dieser Aufarbeitung ist es Vergangenes in eine greifbare Form zu bringen. Hamanns bedient sich hierzu gleichermaßen erzählerischer, poetischer, bildnerischer, filmischer und dokumentarischer Mittel. Der Drang zum Gesamtkunstwerk des in Bayreuth geborenen Künstlers ist unverkennbar. Die opulente Fülle und Vielschichtigkeit, die einem dargeboten wird, ist jedoch nicht auf Überwältigung hin komponiert, sondern fordert vielmehr auf sich in ihr zu verlieren.

Falko Bürschinger


All In/3 | Arno Beck, Malte Bruns, Bas Louter

All In/3 | Arno Beck, Malte Bruns, Bas Louter


Kilian Kretschmer | ON/OFF

Kilian Kretschmer | ON/OFF

ON/OFF


Kilian Kretschmer greift in seinen Arbeiten Fragen nach dem Wirklichkeitsbezug der Gegenstände und ihrem Verhältnis zu den Gesetzmäßgkeiten der Wahrnehmung auf, die in der Philosophie ausgehend von Platons Höhlengleichnis über Kants Transzendentalphilosophie bis hin zum Konstuktivismus eines der zentralen, wenn auch ungelösten Probleme darstellen. Diese Problematik, an der sich Generationen von Philosophen und auch Künstler abgearbeitet haben, steht jedoch in der aktuellen Situation in der mediale Wirklichkeitsproduktionen auf den Weg gebracht werden, die die Bildfläche verlassen und den dreidimensionalen Raum erobern, unter einem neuen Licht. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass durch die Optimierung von Reproduktionsprozessen Abbild und Vorlage in naher Zukunft unter Umständen nicht mehr unterscheidbar sind, wartet diese Problematik erneut auf Bearbeitung.

Sand
In der Videoinstallation wird eine Aufnahme, die den Künstler beim Sandschaufeln zeigt voneinem Beamer auf einen im 45° Winkel aufgestellten, 2m hohen Spiegelkubus projiziert, der das Video zerteilt und auf die benachbarten Wandflächen des Raumes reflektiert. Nähert sich der Betrachter der gegenüberliegenden Seite des Kubus, setzt sich das zuvor geteilte Video als Spiegelbild Kilian Kretschmer l Galerie Ampersand l Kölnder beiden Wände wieder zu einem Bild zusammen. Durch die stereoskope Aufnahmetechnik bei der mit zwei Kameras im Augenabstand gefilmt wurde, entsteht der Eindruck einer dreidimensionalen Räumlichkeit. Kilian Kretschmer setzt sich in dieser Videoinstallation mit dem Aufeinandertreffen verschiedener Ebenen von Realität und Virtualität auseinander. Das abgefilmte Spiegelbild eines realen Vorgangs manifestiert sich, nachdem es mehrere Projektions- bzw. Spiegelungsprozesse durchlaufen hat, in Form einer unmöglichen Raumkonstruktion im Bewusstsein des Betrachters. Der Spiegelkubus dient hierbei als Bildfläche bzw. Grenzschicht, durch die der Betrachter in den Projektionsprozess eintauchen kann. Ab einem gewissen Punkt der Annäherung löst sich die Gegenüberstellung von Rezipient und Darstellungsgenstand zugunsten eines Wahrnehmungsphänomens auf, das sich nicht mehr im realen Raum, sondern nur noch im Bewusstsein des Betrachters abbildet. Es entsteht hierbei jedoch nicht nur eine 3-dimensionale Reproduktion von Wirklichkeit, sondern ein Raumgebilde, das die drei Dimensionen des euklidischen Raum zugunsten einer unmöglich Perspektivität überschreitet. Die Annäherung an die Wirklichkeit durch eine Erweiterung des Wahrnehmungsfeldes um die dritte Dimension wird somit durch visuelle Störmanöver wieder durchbrochen. Dem künstlerischen Drang die Wirklichkeit so präzise wie möglich nachzuahmen wird der Wunsch entgegengesetzt Naturkräfte zugunsten einer Bildrealität außer Kraft zu setzen und Dinge aus dem Nichts entstehen zu lassen.
Kretschmer thematisiert in dieser Arbeit neuere Entwicklungen der raumgreifenden Bildprojektionen, die den Betrachter in einen neuen Modus des visuellen Erlebens versetzen. Der immersive Prozess vollzieht sich jedoch nicht abrupt, wie beim Aufsetzen einer 3D-Brille, sondern sukzessive durch eine fortschreitende Annäherung an die Installation, in der die konstruktiven Mechanismen ihres virtuellen Erfassungsraumes offengelegt werden.

Defekt
Die Arbeit „DEFEKT“ zeigt ein bereits zur Hälfte zerstörtes antikes Trinkgefäß, welches durch zwei Röhrenmonitore auf einen Spiegel projiziert wird. Nähert sich der Betrachter dem Spiegel auf sehr kurze Distanz, entsteht aufgrund der stereoskopen Aufnahmetechnik ein dreidimensionales Bild des sich drehenden Objektes, welches den Eindruck vermittelt,Kilian Kretschmer l Galerie Ampersand l Kölndass es aus sich selbst heraus entsteht und wieder auflöst. Ein auf Funktionalität hin konstruierter Gebrauchsgegenstand wird in dieser Installation in ein dreidimensionales, virtuelles Konstrukt überführt, das in einer ständigen Transformationsbewegung die Bruchstellen seines Zerfallsprozesses komplementiert. Kilian Kretschmer hinterfragt in seiner Arbeit Wahrnehmungsprozesse, die sich einerseits auf ein real existierendes Artefakt andererseits auf dessen virtuell konstruiertes Äquivalent beziehen. Der zwei Jahrtausende überdauernden Materialität des realen Skyphos steht eine virtuelle Rekonstruktion entgegen, die über eine komplexe Versuchsanordnung im Bewusstsein des Betrachters immateriell evoziert wird.

 

Falko Bürschinger


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