Technokomplex

Tim Berresheim & Hyperweirdkids


Exhibition: 30.Aug – 12. Okt
Opening: 30.Aug

Öffnungszeiten zu den DC Open
Fr 18 – 23 Uhr
Sa 11 – 19 Uhr 
So 12 – 17 Uhr

Technokomplex

Tim Berresheim und hyperweirdkids

Metallisches Bellen, giftiger Atem, zwei Körper mit drei Köpfen. Glieder umschlingen sich, verschmelzen miteinander, sind kaum mehr voneinander zu differenzieren. Sie erinnern an den dreiköpfigen Kerberos, welcher in der griechischen Mythologie den Eingang zur Unterwelt bewacht – kein Lebender dringt ein, kein Toter kommt heraus. Nicht ganz, wurde er doch von Herakles besiegt, von Psyche verführt, von Orpheus beschwichtigt. Ihm gegenüber sind die Umrisse einer Figur als Leerstelle in den Maschendrahtzaun gebannt, muten wie eine Tatortzeichnung an. Wo der Geifer des Hundes tropft, erblüht Eisenhut, rankt sich am Zaun empor. Wir begeben uns auf Spurensuche.

Die Spuren führen weit zurück. Denn als „Technokomplex“ werden einzelne Phasen vorgeschichtlicher Zeitperioden bezeichnet, die anhand der Beschaffenheit gefundener Steinartefakte voneinander unterschieden werden können. Der Begriff lässt sich aber auch auf die technologische Bildgenese übertragen. Daran anknüpfend widmet sich die Duoschau „Technokomplex“ in der Galerie Falko Alexander dem prägenden Einfluss moderner Technik auf die Erzeugung von Bildern. Entsprechend dienten den speziell für die Ausstellung entstandenen Arbeiten von Tim Berresheim Details aus den digital collagierten Gemälden der hyperweirdkids Laura Klünter und Mario Mertgen als Ausgangspunkte. 

Wer sich gemäß dem Titel meditativ in „Gelb-violette Exerzitie am Auge“ vertieft, erkennt im Gewirr der Formen und Farben vielleicht Anmutungen vom Kopf des Höllenhunds, von Juwelen oder Stacheldraht. Denn Berresheim hat sich nicht nur bei „“ wie aus einem Setzkasten an den digitalen Collagen der hyperweirdkids bedient. Die Details aus den zunächst ins Medium der Zeichnung übertragenen und folgend eingescannten Bildern werden bei Berresheim auf den digitalen Pinsel gestülpt. Mittels des virtuellen Werkzeugs lassen sich in schwungvollem Duktus die gesammelten Daten durch den fiktiven Raum ziehen, schlingen sich umeinander, bis sie als vielfarbige Schlieren vor dem Auge sitzen.

Die kaleidoskopisch angelegten Arbeiten der hyperweirdkids greifen selbst auf gefundenes Material zurück, indem sie kunsthistorische Motive und mythologische Figuren aus Bildarchiven nutzen. Antike Gravuren, Gemälde aus Renaissance und Manierismus bilden das Fundament der anschließend mittels KI ad absurdum geführten Figuren. Der männliche Idealkörper erhält plötzlich groteske Proportionen, wenn Muskelberge gleich Geschwüren aus der Haut wachsen. Alles andere als ideal scheinen sich die dargestellten Personen nur noch mit Mühe an stacheldrahtbewehrter Klippe halten zu können, schlagen die Hände vor gramverzerrte Gesichter, blicken voller Verzweiflung in den selbst geschaufelten Abgrund. Der Mensch befindet sich in der Krise.

Gelber Gurt hält in „Die ewige Wiederkehr des Gleichen“ wie auf eine Steintafel geritzte Körperzeichnungen zusammen. Doch aus Repetition und Krise kann Neues entstehen. In der Ausstellung ergeben sich vielschichtige Verbindungen zwischen historischen und zeitgenössischen Artefakten, wodurch sich ein Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart auf semantischer sowie ästhetischer Ebene entspinnt, grundlegende Prozesse von Wiederaufnahme und Ergänzung thematisiert. Nicht nur KI speist sich aus einer Black Box an Daten, auch in der Kunst fußt Neuerung auf Bestehendem, lässt sich anhand von Aneignung und Zitaten über die Zeit hinweg kommunizieren.

Berresheim reist gerne weit in die Zeit zurück, begibt sich als forschender Künstler auf archäologische Spurensuche in urzeitliche Höhlen, die er mittels modernster Technologien kartiert. Er steht der Behauptung eines Fortschritts kritisch gegenüber, begreift Gegenwart als den Übergang in eine neue digitale Zeit. Denn der Mensch muss sich die digitale Höhle erst noch zu eigen machen, das Licht der Taschenlampe sukzessive weiter aufblenden. Technologien dienen ihm dabei als Werkzeuge, um unsichtbare Prozesse der Bildfindung erkennbar zu machen.

Sowohl Berresheim als auch die hyperweirdkids verwenden digitale Kulturtechniken, führen ihre Kunst jedoch aus der immateriellen Sphäre in den physischen Raum zurück. So finden sich in „Technokomplex“ lauter Tafelbilder, die gemalt wurden oder in traditionellem Druckverfahren entstanden sind. Obwohl die Werkzeuge sich weiterentwickelt haben, bleibt der Mensch angesichts einer sich stetig verändernden Welt gleich, ist fleischliches Relikt in einer neuen Wirklichkeit. Die Spurensuche endet letztlich bei uns selbst.

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