Arno Beck – Syntax error

Arno Beck

Syntax Error

Syntax error


Arno Beck verbindet in seinen neuen Arbeiten Darstellungskonzepte analoger Reproduktionstechniken mit der Ästhetik digitaler Bilderzeugungsverfahren. Zunächst wird die Vorlage, die am Rechner erstellt wird, in eine stark vereinfachte Rastergrafik umgewandelt, wobei die 32/er Farbpalette des Gameboy Color als Orientierungssystem dient. Auf den Digitalisierungsprozess, dessen Sinn und Zweck es ist, das Bild für die drucktechnischen Gegebenheiten der Vervielfältigungsmaschinen bzw. die Voraussetzungen der digitalen Übertragung vorzubereiten, folgt jedoch wieder eine analoge Arbeitsphase. Die einzelnen Bildquadrate werden von Hand in tausende gleich große Holzstücke zurecht gesägt, die mit einer Druckwalze eingefärbt und zu einem Pixelmosaik zusammengefügt werden. Anschließend erfolgt ein einzelner Abdruck auf Japanpapier, wobei auf eine Vervielfältigung des Motivs bewusst verzichtet wird. Jeder Druck ist ein Unikat. Der Künstler greift in den Ablauf eines auf Automatisierung hin ausgerichteten Reproduktionsprozesses ein und stellt die Spielregeln auf den Kopf. Sobald das Bild für eine maschinelle Weiterverarbeitung vorbereitet ist, erfolgt eine überraschende Wendung. Es setzt eine Phase der mühevollen Handarbeit ein und das Ergebnis eines auf serielle Vervielfältigung angelegten Arbeitsprozesses wird zum Original. Handarbeit und Digitalisierung durchdringen sich auf eine unvorhergesehene Art und Weise: die Hand scheint sich gerade an dem Punkt einmischen zu wollen, wo die Maschine ihren Kompetenzbereich für sich beansprucht. Die so entstandenen Mosaikdrucke konfrontieren eine Rasterästhetik der digitalen Perfektion mit den ungelenken Verschiebungen und Überlagerungen einer analogen Umsetzung. Es entsteht ein Spannungsgefüge zwischen geplanter Ordnung und willkommenen Ausbrüchen aus einem statischen System, die einen lebendigen Farbraum erzeugen. Der Zufall ergänzt und erweitert das System. Man fühlt sich hierbei sogleich an die Unregelmäßigkeiten und Farbabweichungen in den Siebdrucken Warhols erinnert. Die Hand hinterlässt auch in der Imitation eines maschinellen Prozesses ihre eigenen Spuren. Walter Benjamin beklagte bereits in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts in seinem viel zitierten Aufsatz „Das Kunstwerk im Zeitalter der Reproduktion“ den Verfall der Aura des Kunstwerkes vor dem Hintergrund seiner massenhaften Verbreitung durch Vervielfältigungen. Benjamin definiert die das Kunstwerk umgebende Aura als Zeugnis einer Einmaligkeit und einer in sich getragenen Historizität, die durch jegliche Form der Reproduktion untergraben wird. Arno Becks Verfahren könnte man als den humorvollen Versuch einer „Re“-Auratisierung des Kunstwerks in Zeiten der Bildinflation bezeichnen. Der quadratische Farbpixel als Symbol der ikonografischen Industrialisierung wird mühsam von Hand zurechtgeschnitten und mit Farbe versehen, um in einem aufwendigen Holzdruckverfahren ein Unikat zu erzeugen, was dem Grundprinzip der Drucktechnik völlig widerspricht. Zusammen mit den Holzdrucken entsteht eine Serie an Schreibmaschinengrafiken in einer ähnlichen Motivik. Nachdem ein Schreibmaschinenblatt durch ein Raster aus „+“-Zeichen vorstrukturiert wurde, beginnt die Umsetzung des Motivs durch die Verwendung von sechs verschiedenen Buchstaben und Zeichen, die einen jeweils eigenen Helligkeitswert erzeugen, der jedoch, ähnlich wie beim Klavier, durch die Härte des Anschlags variiert werden kann. Die Buchstabenpartituren werden als Edition von jeweils 10 Exemplaren umgesetzt, wobei jedes einzelne Blatt von Hand neu eingetippt und somit auch zu einem Unikat wird. Wie bei den Holzdrucken versucht der Künstler sich bei der Umsetzung des Motivs bewusst Steine in den Weg zu legen, indem er ein ausrangiertes Relikt der Textgestaltung zur Darstellung einer Grafik verwendet. Doch auch hier entsteht ein Ergebnis, mit einer völlig eigenen Ästhetik in einem Spannungsfeld zwischen subjektivem Ausdruck und vorstrukturierter Ordnung. Arno Beck bestreitet in beiden Serien einen außergewöhnlichen Weg. In einer Zeit der inflationären Erzeugung und Verbreitung von digitalen Bildern stellt er das Prinzip der Reproduktion auf den Kopf und Infrage.

Falko Bürschinger

 

 


Hydroponic Forms – 8 artists from L. A.

Hydroponic Forms – Eight artists from Los Angeles

Brian Bress | Josh Callaghan | Michael Decker  | Sean Higgins  | Amanda Ross-Ho | Bas Louter | Fay Ray | Eric Yahnker

Hydroponic Forms / Eight Artists from Los Angeles


Press text
Hydroponic Forms brings together eight artists who emerge out of the delicate cultural ecosystem of contemporary Los Angeles. Hydroponic agriculture is a means to support plant life on a carefully composed liquid diet of nutrients and water without soil. The technology allows you to grow plants in places that wouldn’t otherwise sustain life; warehouses, spare bedrooms, garages and closets for example. Art in Los Angeles grows in similar marginal spaces fed by a nutritive stream that is harder to chemically identify, but likely contains elements of obsessive compulsive behaviors and therapeutic handicraft; celebrity worship, cultural detritus and profundity through superficiality; and a volatile compound of self-loathing and megalomania. Given time and space these plants can bear flowers, even fruit.

Pressetext
Die Galerie ampersand zeigt zu den DC-Open 2016 in der Gruppenausstellung „Hydroponic Forms“ acht junge Künstler aus Los Angeles. Der Begriff Hydroponic stammt aus der Botanik und bezeichnet ein Kultivierungssystem für Pflanzen in Innenräumen, das das Wachstum durch künstliche Nährstoffzufuhr und Beleuchtung optimieren soll. Dieses Bild einer kontrollierten Imitation natürlicher Prozesse steht stellvertretend für die Haltung einer junge Künstlergeneration, die in der artifiziellen Atmosphäre der Kunstmetropole Los Angeles Lebenssurrogate aufsaugt, um aus ihnen Kunst zu produzieren.


Matthias Danberg – Sculptures

Matthias Danberg

Sculptures


PLAY/II Video- & Performance Festival

PLAY/ll – Video- & Performance Festival


PHILIPP ARTUS | MATTHIAS DANBERG | FELIPE CASTELBLANCO | ANGELIKA HERTA | KILIAN KRETSCHMER | MEVLANA LIPP | LUKAS MARXT | PETER MILLER | LUKAS PUSCH | REUT SHEMESH | VANJA SMILJANIC | ADAM SCARBOROUGH | SOUVENIRS FROM EARTH

PLAY/ll


Das Video- und Performance-Festival Play wurde von den Veranstaltern Galerie ampersand und CAT Cologne 2013 mit der Zielsetzung gegründet die regionale Video-Kunstszene mit dem Schwerpunkt Köln/Düsseldorf zu stärken und dieser ein Ausstellungsforum zu bieten. Das Festival findet als Biennale alle zwei Jahre unter verschiedenen Schwerpunktsetzungen statt. Der Festivaltitel „Play“ verweist in seiner Mehrfachbedeutung einerseits auf die Play-Taste der Video-Abspielgeräte andererseits aber auch auf das Theaterstück, welches das genealogische Bindeglied zwischen Video- und Performancekunst darstellt. Zudem versteht sich der Festivaltitel „Play“ auch als Aufforderung zum Spielen und somit als genreübergreifender künstlerischer Imperativ.
Der Schwerpunkt der Künstlerauswahl liegt auf regionalen Positionen, die jedoch durch überregionale Positionen ergänzt werden, sofern über den Künstler oder die Arbeit ein Bezug zur Region erkennbar wird. Ziel ist es hierbei die Düsseldorfer und Kölner Videokunstszene näher zusammenzubringen und stärker zu vernetzen. Das Rheinland, insbesondere Köln und Düsseldorf spielten für die Entwicklung der Video- und auch Performance-Kunst eine bedeutende Rolle. Künstler wie Ulrike Rosenbach, Nam June Paik, Marcel Odenbach und Klaus von Bruch waren Anfang der 70er Jahre in der Region künstlerisch aktiv und wurden in Kölner und Düsseldorfer Galerien ausgestellt. Die enorme Bedeutung des Rheinlands für die Entwicklung dieser Kunstformen ist außerhalb der Kunstszene jedoch kaum bekannt. Eine Stärkung der regionalen Videokunst-Szene soll auch dazu führen, dass Bewusstsein stärker auf die regionale Tradition im Bereich der Entwicklung der Neuen Medien zu lenken.


Power Up | Groupshow

Power Up

Mikheil Chikhladze | Mevlana Lipp | Sebastian Weggler

Power Up


MEVLANA LIPP
Alles Philosophieren besteht in einem Erinnern des Zustandes, in dem wir einst waren mit der Natur. Friedrich Wilhelm Josef Schelling. Mevlana Lipp (*1989) erforscht in seiner künstlerischen Arbeit die Wahrnehmung des Subjektiven als losgelösten Teil des natürlichen Ganzen. Spielerisch-kritisch hinterfragt er dabei das Konstrukt „Individuum“ mit seinem subjektiven und egozentrischen Erleben der objektiven Umwelt. Die Natur entspricht dabei ganz im Sinne Schellings dem „Inbegriff alles Objektiven“, da sie nur vorstellbar, unbewusst beziehungsweise bewusstlos sei. Die bewusste Wahrnehmung des Subjektiven, welche schlussendlich die Identität des menschlichen Individuums rechtfertigt, steht im morbiden Missverhältnis zur unbewussten Natur. Die romantische Idee des Rückzugs in die Natur als potentielle Genese ist schon jahrhundertealt und überworfen. Vielmehr bewegt sich das zeitgenössische Individuum alienartig über den Planeten und beobachtet Flora und Fauna durch den Plasmabildschirm. Lipp untersucht diesen diskrepanten Zustand zwischen Subjekt und Objekt, zwischen bewusst und unbewusst, zwischen Mensch und Natur und erarbeitet dabei in seiner aktuellen Werkphase künstlerische Reliefs, welche die Entfremdung des Menschen sowie die damit einhergehende künstliche Verformung der Natur durch die Zivilisation in den Vordergrund rücken. Dazu nutzt er bevorzugt auf Holz verweisendes Material, sowie MDF, Arbeitsplatten, Sperrholz oder Furnier. Die Materialwahl verweist bereits konkret auf den zerstörerisch-brutalen Eingriff des Menschen, mutet es doch natürlich schön an und erinnert an Holz, ist dabei aber vielmehr ein aus Klebstoff, geschredderten Holzresten und weiteren Chemikalien zusammengesetztes Kunstprodukt. Dieser absurde Moment, in dem Holz zerstört wird um wiederum zu einem Produkt verarbeitet zu werden, welches Holz gleicht, ist in Lipps Werkreihe doppelt verankert. So nutzt er das Material zunächst, um natürliches Material zu imitieren, um dann noch darüber hinaus das Kunstprodukt in seinem Ursprungszustand zurück zu generieren. Er kreiert dabei virtuose Reliefs, welche an die melancholische Schönheit eines flüchtigen Blicks durch ein Fenster auf eine Wiese oder aber auf eine Pflanze erinnern. So befindet sich das Kunstprodukt zurück in seiner Ursprungsform: die Arbeitsplatte wird zum schweren Blatt einer Monstera Deliciosa (Fensterblatt), das Furnier erinnert an die unendlichen Weiten eines Feldes und das MDF zeigt emblematisch Ausschnitte einer Pflanze als Stellvertreter aller Pflanzen und verweist damit wohl eher auf die Abwesenheit eben dieser.Mevlana Lipp entsinnt in seiner Arbeit tragisch-komisch auf jenen Zustand, in dem wir einst mit der Natur waren und verweist doch durch den Moment des Absurden in seiner Herangehensweise auf die Unwiederbringlichkeit des natürlichen Ganzen. „Postromantisch“ erinnert seine Arbeit an jenen Zustand und weist uns doch zurück als gegenwärtig außerirdisch.

MIKHEIL CHIKHLADZE
Die Malerei von Mikheil Chikhladze entzieht sich jeglicher Kategorisierung, auch wenn sich dem Betrachter der Blick durch ein Kaleidoskop von Zitaten der Kunstgeschichte zu bieten scheint. In unbefangenem Umgang damit sind in seiner mit informellem Duktus ausgeführten Malerei surreal anmutende Szenen mit deutlich narrativen Darstellungen kombiniert, die sich allerdings, Chiffren gleich, einer schnellen Lesart verweigern. So stehen sich zum Beispiel in „Ohne Titel“ von 2014 ein hoch dekorierter Militär mit eindeutig asiatischer Physiognomie und eine auf andere Weise „seriös“ wirkende männliche Figur im Oberhemd mit Krawatte gegenüber: Stellvertreter ihrer Systeme, zweier Welten? Die verheißungsvoll zwischen ihnen einem Kanonenrohr (!) entweichende Allegorie der Weiblichkeit, scheint sie beide in ihren Bann zu ziehen.

Der 1978 in Tiflis/Georgien geborene Mikheil Chikhladze arbeitet empfindsam Erinnerungen an seine Heimat, Ausdeutung von Befindlichkeiten, aber auch gesellschaftskritische Motive subtil und mit einem Spektrum von feinem Humor bis hin zu scharfen Kommentaren in seine Bildwelten ein. Mit pastosem Farbauftrag bearbeitete Leinwandflächen, lassen wiederum fetzenhaft Fragmente eines mehrfach überarbeiteten Ursprungsmotivs durch die Malschichten durchscheinen. Der gesamte Bildraum ist in permanenter Bewegung. So sind auch die immer wieder auftauchenden horizontalen und vertikalen Flächen und Linien nicht nur kompositorisches Stilmittel; führen sie doch einmal aus der Leinwand heraus und heben Bildränder auf, bilden sie bei einem anderen Motiv eine Umklammerung, die Enge evoziert, oder versperren den (Durch)Blick.
In der von Mikheil Chikhladze entwickelten eigenen Bildsprache, seiner unerschöpflichen Experimentierfreudigkeit, spürt man unmittelbar die Mallust eines Künstlers, dem der Umgang mit Fläche und Farbe Impulsgeber ist und nicht Mittel zum Zweck. Die transportierten „Botschaften“, die sich offenbar wie von selbst beim Entstehen heraus zu bilden scheinen, fügen sich verhalten, ja geradezu lautlos in die Gesamtkomposition ein, ohne ihre, vom Künstler intendierte Intensität zu verlieren. Eine über die Farben vermittelte Grundstimmung, greift er dabei ganz bewusst öfter wieder auf.

Katharina Österreicher 

SEBASTIAN WEGGLER
Langsam strichen seine Finger über Nase, Wangenknochen, Lippen und Kinn. Die ausdrucksvollen und doch unveränderlichen Linien versprachen Schutz und Schrecken zugleich. Ihr Zauber weist ihrem Träger einen besonderen Platz im foucaultschen Panoptismus, in jener sich selbst perpetuierenden Welt der Sichtbarkeit zu. Die Blicke der anderen prallen am Äußeren ab, ohne zu ihm selbst vorzudringen. In stillen Momenten wie diesen, beschlich ihn die Angst, dass auch ihm Teile seiner Persönlichkeit entglitten. Mit einem Seufzer zog er sich die Maske über, dachte für einen flüchtigen Moment an Hamlet und verschwand in der Nacht. Viele der Helden und Schurken, die unsere Phantasie anregen, tragen eine Maske. In ihr setzt sich eine jahrtausendealte Tradition fort, die sowohl eine Annäherung an als auch eine Distanzierung vom menschlichen Gesicht als dem Träger von Emotionen und damit als Ausdruck der Persönlichkeit darstellt. Hervorgegangen aus rituellen Handlungen überkreuzen sich in ihnen Enthüllung und Verhüllung. Sie dienen dem Erkennen, der Darstellung und der Kommunikation. Ihr Träger schlüpft in eine Rolle, die Maske verleiht ihm Kräfte. Sie kann als Sinnbild und Verstärker sozialen Rollenverhaltens gesehen werden.
Sebastian Wegglers neuester Werkkomplex ist eine Sammlung von Masken. Sie sind nicht tragbar, ihr Besitzer wird nicht zum Helden oder Schurken, indem er sie sich überstreift. Der Künstler als Maskensammler lädt vielmehr zu einer vielschichtigen Reflexion ein, die weit über popkulturelle Referenzen hinausgeht. Sie stellen einen fröhlichen Ort des Möglichen dar, in dem weniger die tatsächliche Persönlichkeit eines angenommenen Maskenträgers von Interesse ist, als vielmehr die Ästhetik der Maske und ihre Funktion als Kreuzungspunkt und Kippfigur. Im Anschluss an traditionelle Fasnet Schemen handelt es sich bei Sebastian Wegglers Masken um aus Holz geschnitzte Einzelstücke, deren Materialität zum Teil durch eine satte Farbigkeit überdeckt wird. Darüber hinaus verweist die Bezeichnung „Wilde Leute“ auf ein verbreitetes Fasnet-Motiv, das von Weggler aber in einen fantastischen, internationalen Kontext gestellt wird. Weggler spielt liebevoll mit der Stereotype, sowohl der Stereotype der Maske, die bei aller Detailgenauigkeit doch immer eine Vereinfachung und Überformung der Gesichtszüge darstellt, als auch mit der Stereotype der auf Abschreckung zielenden Wildheit. Denn die hier zur Schau gestellte Wildheit, die sich etwa an traditionelle europäische, afrikanische und amerikanische Masken anlehnt und popkulturelle Referenzen miteinschließt, wird von einem hintergründigen Humor gebrochen, der sich in der Ausarbeitung der Details und dem Einsatz der Farbe manifestiert. So wachsen auf dem Kopf eines Zyklopen Blümchen und ein Totenschädel trägt einen Strahlenkranz, der an die Freiheitsstatue denken lässt. Die Farbe selbst ist in ihrer Strahlkraft so satt, dass sie auch einer an Batman erinnernden Maske jene brütende Düsternis nimmt und sie einreiht in eine Art aufdringliche Eleganz, die alle wegglerschen Masken verbindet.
Wer mag schon sagen, ob es sich bei diesen Masken um die von Helden oder Schurken handelt. Diese Zuschreibung bleibt der Phantasie des Betrachters überlassen. Indem Sebastian Weggler eindeutige Zuschreibungen vermeidet und gleichzeitig auf den Erfahrungsschatz des Betrachters rekurriert, eröffnet er in der Transformation von rituellen, popkulturellen und traditionell kunsthandwerklichen Kontexten einen form- und farbenprächtigen Möglichkeitsraum, der in der ästhetischen Erfahrung Anlass gibt, über die Ästhetik, die Funktion und die Tradition der Maske selbst nachzudenken, der aber auch der Ausgangspunkt für das Spiel der Phantasie des Betrachters sein kann. Insofern erscheinen die hier repräsentierten Masken als Bewahrer eines von ihren Vorgängern ererbten Zaubers, der sich über die Kunst in die Erfahrung einschreibt.
Falls der namenlose Maskenträger in einem Moment der Unachtsamkeit, vielleicht, weil er doch ein wenig zulange über das Verhältnis von Maske und Persönlichkeit nachgedacht hat, von einem nicht ganz so komfortablen Fenstersims gefallen ist, dann können wir uns sicher sein, dass ein verschmitzt lächelnder Künstler die zurückgelassene Maske mitnimmt und seiner Sammlung einverleibt. Nicht als Relikt oder Trophäe, sondern als Katalysator der ästhetischen Erfahrung, in der der Betrachter am Ende noch über seine eigenen Masken nachdenkt.

Julia Gerber


Peter Müller | Neue Arbeiten

Peter Müller | Neue Arbeiten

Peter Müller


Den konzeptuellen Ausgangspunkt von Peter Müllers Arbeiten bildet die Auseinandersetzung mit einer inhaltlichen Dimension. Der Künstler verwendet hierzu Bildmaterial aus den Massenmedien als Vorlage in dem sich ausdrucksstarke Szenen, häufig geprägt von Gewalt und Aufruhr, widerspiegeln. An dieser thematischen Reibungsfläche entzünden sich erste Ideen für die formalästhetische Gestaltung. Hierbei werden Bewegungsmuster, Dynamik sowie Formensprache der Sujets aufgegriffen, um dann aus ihrer Gegenständlichkeit befreit zu werden. Im Verlauf des Produktionsprozesses findet eine vollständige Loslösung von der abbildhaften Dimension statt, wobei Intensität und Ausdrucksqualität der dargestellten Situation in eine adäquate Formensprache übersetzt werden. Nachdem ein Abstraktionsprozess durchlaufen wurde, der keinerlei Rückschlüsse mehr auf eine Vorlage zulässt,bleibt die Plastik als ungegenständliches Äquivalent einer Ausgangssituation zurück, losgelöst vom Kontext eines singulären Ereignisses.
Der Künstler verwendet häufig Materialien, die bereits industrielle Bearbeitungsprozesse durchlaufen haben: mit Vorliebe Wellpappe, Fußleisten sowie Dachlatten und ähnlich funktional ausgerichtete Stoffe, an denen deutlich wird, dass das Charakteristische des Ausgangsstoffes in eine verwertbare Form gepresst oder geschnitten wurde. Peter Müller zieht diese Materialien aus dem Gebrauchskontext ihrer Funktionalität heraus und bearbeitet sie weiter. In seiner Abhandlung „Über den Ursprung des Kunstwerks“ entfaltet Heidegger eine begriffliche Reihe, in der er das Kunstwerk anhand einer Gegenüberstellung zum Gebrauchgegenstand definiert. Das „Zeug“, wie er den designten Gegenstand nennt, zeichne sich dadurch aus, dass es im Gebrauch völlig aufgehe und verschwinde. Je besser der Gegenstand an seine funktionale Ausrichtung angepasst sei, umso unsichtbarer werde er in seiner Handhabung und Materialität. Das Kunstwerk definiere sich im Gegensatz dazu gerade über die Sichtbarmachung des Materiellen. Farbe, Holz oder Beton treten im Kunstwerk lediglich als Träger einer ästhetischen Ausdrucksqualität, frei von jeder Funktion auf. Sie werden nicht ver- oder gebraucht, sondern erzeugen überhaupt erst Sichtbarkeit. Peter Müller gelingt es in seinen Arbeiten Vorgefertigtes aus dem Produktions- und Verwertungskreislauf aufzugreifen und in den Bereich der Sichtbarkeit zurückzuziehen.

Falko Bürschinger


All In/IV | Groupshow

All In/IV


Arno Beck | Mikheil Chikhladze | Philipp Hamann | Kilian Kretschmer | Bas Louter | Peter Müller | Sebastian Weggler


Philipp Hamann | Anything can happen

Philipp Hamann | Anything can happen

Anything can happen


Die Ausstellung „Anything can happen“ setzt sich aus Bild-, Text- vor allem aber auch aus Erfahrungsmaterial zusammen, das in einem zweimonatigen Aufenthalt in dem Ort Nida in Litauen im Rahmen eines Stipendiums des Goethe-Instituts entstanden ist. Der Geschichte des kleinen Ortes unmittelbar an der Grenze zu Russland ist geprägt von Besetzung, Vertreibung sowie ständiger Zerstörung – jedoch auch durch stetigen Wiederaufbau und die unbeirrbare Neubesiedelung durch unterschiedliche Volksgruppen. Es scheint fast wie ein literarisches Motiv, dass der Ort zu allem Unglück bereits mehrfach von einer Wanderdüne begraben wurde und wieder aufgebaut werden musste. Das einzig Beständige dieses Ortes scheint die Tatsache der nicht vorhandenen Verwurzelung in einer identitätsstiftenden Vergangenheit – ein Ort ohne Heimat. Berühmtheit erlangte er vor allem durch die Tatsache, dass Thomas Mann sich hier ansiedelte und die Sommer der Jahre vor seiner Immigration in die USA dort verbrachte.
Die Ausgangslage ist prädestiniert für Philipp Hamanns künstlerische Herangehensweise der Spurensuche und bildnerischen Rekonstruktion von Vergangenem. Er recherchiert, sammelt, ordnet und spekuliert, wobei sich die vorgefundenen alltäglichen Geschichten mit persönlichen Erinnerungsspuren und fiktiven Elementen verflechten. Hamann taucht in das kollektive Gedächtnis des Ortes ein, auf der Suche nach Geschichten, Mythen und Bildern. In der Aufarbeitung gibt es keine Hierarchie. Alles ist gleichwertig und steht mit Allem in Verbindung. Historisches steht neben Alltäglichem, Privates neben Offiziellem. Hamann teilt seine Collage in einzelne Motivfelder ein, deren formgebende Umrisse aus einer Abbildung der bereits erwähnten Wanderdüne geschnitten sind, die das Dorf und seine Geschichte bereits mehrfach begraben hatte. Das inhaltliche Motiv der Auslöschung wird formalästhetisch zur formgebenden Komponente. Ein Themenkomplex fasst beispielsweise Erinnerungen und Bilder an einen Straßenkünstler zusammen, dessen Eloquenz und Unabhängigkeit zunächst beeindruckte, der im Verlauf des Aufenthaltes jedoch zur anhänglichen Belastung wurde. Ein einsamer Junge der Tag für Tag vor sich hin dösend mit der Aufgabe betraut wurde einen Parkplatz zu bewachen, wird in der Collage in Zusammenhang mit der Romanfigur Rip van Winkle gebracht, der sein Leben verschläft und als er endlich aufwacht erkennen muss, dass alle seine Bekannten bereits verstorben sind. Ziel dieser Aufarbeitung ist es Vergangenes in eine greifbare Form zu bringen. Hamanns bedient sich hierzu gleichermaßen erzählerischer, poetischer, bildnerischer, filmischer und dokumentarischer Mittel. Der Drang zum Gesamtkunstwerk des in Bayreuth geborenen Künstlers ist unverkennbar. Die opulente Fülle und Vielschichtigkeit, die einem dargeboten wird, ist jedoch nicht auf Überwältigung hin komponiert, sondern fordert vielmehr auf sich in ihr zu verlieren.

Falko Bürschinger


All In/3 | Arno Beck, Malte Bruns, Bas Louter

All In/3 | Arno Beck, Malte Bruns, Bas Louter


Kilian Kretschmer | ON/OFF

Kilian Kretschmer | ON/OFF

ON/OFF


Kilian Kretschmer greift in seinen Arbeiten Fragen nach dem Wirklichkeitsbezug der Gegenstände und ihrem Verhältnis zu den Gesetzmäßgkeiten der Wahrnehmung auf, die in der Philosophie ausgehend von Platons Höhlengleichnis über Kants Transzendentalphilosophie bis hin zum Konstuktivismus eines der zentralen, wenn auch ungelösten Probleme darstellen. Diese Problematik, an der sich Generationen von Philosophen und auch Künstler abgearbeitet haben, steht jedoch in der aktuellen Situation in der mediale Wirklichkeitsproduktionen auf den Weg gebracht werden, die die Bildfläche verlassen und den dreidimensionalen Raum erobern, unter einem neuen Licht. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass durch die Optimierung von Reproduktionsprozessen Abbild und Vorlage in naher Zukunft unter Umständen nicht mehr unterscheidbar sind, wartet diese Problematik erneut auf Bearbeitung.

Sand
In der Videoinstallation wird eine Aufnahme, die den Künstler beim Sandschaufeln zeigt voneinem Beamer auf einen im 45° Winkel aufgestellten, 2m hohen Spiegelkubus projiziert, der das Video zerteilt und auf die benachbarten Wandflächen des Raumes reflektiert. Nähert sich der Betrachter der gegenüberliegenden Seite des Kubus, setzt sich das zuvor geteilte Video als Spiegelbild Kilian Kretschmer l Galerie Ampersand l Kölnder beiden Wände wieder zu einem Bild zusammen. Durch die stereoskope Aufnahmetechnik bei der mit zwei Kameras im Augenabstand gefilmt wurde, entsteht der Eindruck einer dreidimensionalen Räumlichkeit. Kilian Kretschmer setzt sich in dieser Videoinstallation mit dem Aufeinandertreffen verschiedener Ebenen von Realität und Virtualität auseinander. Das abgefilmte Spiegelbild eines realen Vorgangs manifestiert sich, nachdem es mehrere Projektions- bzw. Spiegelungsprozesse durchlaufen hat, in Form einer unmöglichen Raumkonstruktion im Bewusstsein des Betrachters. Der Spiegelkubus dient hierbei als Bildfläche bzw. Grenzschicht, durch die der Betrachter in den Projektionsprozess eintauchen kann. Ab einem gewissen Punkt der Annäherung löst sich die Gegenüberstellung von Rezipient und Darstellungsgenstand zugunsten eines Wahrnehmungsphänomens auf, das sich nicht mehr im realen Raum, sondern nur noch im Bewusstsein des Betrachters abbildet. Es entsteht hierbei jedoch nicht nur eine 3-dimensionale Reproduktion von Wirklichkeit, sondern ein Raumgebilde, das die drei Dimensionen des euklidischen Raum zugunsten einer unmöglich Perspektivität überschreitet. Die Annäherung an die Wirklichkeit durch eine Erweiterung des Wahrnehmungsfeldes um die dritte Dimension wird somit durch visuelle Störmanöver wieder durchbrochen. Dem künstlerischen Drang die Wirklichkeit so präzise wie möglich nachzuahmen wird der Wunsch entgegengesetzt Naturkräfte zugunsten einer Bildrealität außer Kraft zu setzen und Dinge aus dem Nichts entstehen zu lassen.
Kretschmer thematisiert in dieser Arbeit neuere Entwicklungen der raumgreifenden Bildprojektionen, die den Betrachter in einen neuen Modus des visuellen Erlebens versetzen. Der immersive Prozess vollzieht sich jedoch nicht abrupt, wie beim Aufsetzen einer 3D-Brille, sondern sukzessive durch eine fortschreitende Annäherung an die Installation, in der die konstruktiven Mechanismen ihres virtuellen Erfassungsraumes offengelegt werden.

Defekt
Die Arbeit „DEFEKT“ zeigt ein bereits zur Hälfte zerstörtes antikes Trinkgefäß, welches durch zwei Röhrenmonitore auf einen Spiegel projiziert wird. Nähert sich der Betrachter dem Spiegel auf sehr kurze Distanz, entsteht aufgrund der stereoskopen Aufnahmetechnik ein dreidimensionales Bild des sich drehenden Objektes, welches den Eindruck vermittelt,Kilian Kretschmer l Galerie Ampersand l Kölndass es aus sich selbst heraus entsteht und wieder auflöst. Ein auf Funktionalität hin konstruierter Gebrauchsgegenstand wird in dieser Installation in ein dreidimensionales, virtuelles Konstrukt überführt, das in einer ständigen Transformationsbewegung die Bruchstellen seines Zerfallsprozesses komplementiert. Kilian Kretschmer hinterfragt in seiner Arbeit Wahrnehmungsprozesse, die sich einerseits auf ein real existierendes Artefakt andererseits auf dessen virtuell konstruiertes Äquivalent beziehen. Der zwei Jahrtausende überdauernden Materialität des realen Skyphos steht eine virtuelle Rekonstruktion entgegen, die über eine komplexe Versuchsanordnung im Bewusstsein des Betrachters immateriell evoziert wird.

 

Falko Bürschinger


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